Cyberangriffe auf Regierungsnetze, politische Meinungsbildung via Fake News und Echokammern sowie Diskurse um zweischneidige Medienangebote (aktuell: musical.ly) zeigen exemplarisch, wie rasant (digitale) Medien unsere Gesellschaft verändern. Die Medienpädagogik befasst sich intensiv mit den medialen Entwicklungen und begrüßt, dass im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD die Themenfelder (digitale) Medien, Bildung und Kultur vielfach aufgegriffen werden. Damit wird sichtbar, dass sich die Politik der massiven gesellschaftlichen Veränderungen bewusst ist, die gegenwärtig unter dem Schlagwort “Digitalisierung” diskutiert werden.
Einschlägige Disziplinen weisen bereits seit langem auf die weitreichenden Folgen und den großen Handlungsbedarf hin, der sich aus der Verbreitung und Vernetzung digitaler Medien ergibt (vgl. Medienpädagogisches Manifest – Keine Bildung ohne Medien!). Aktuelle Medientechniken und -kulturen haben das Potenzial, das gesamte Bildungssystem zu verändern. Dieser Prozess darf keinesfalls technikgetrieben in die Hand von Konzernen gegeben werden. Es bedarf einer Neupositionierung auf breiter Basis. Die Chancen und Risiken sind vor dem Hintergrund des Ziels einer zukunftsfähigen demokratischen Gesellschaft abzuwägen und zu kanalisieren. In diesem Sinne ist es unabdingbar, dass die Ankündigungen aus dem Koalitionsvertrag schnellstmöglich in Handlungen umgesetzt werden. Die Initiative Keine Bildung ohne Medien! steht mit ihrer Expertise dabei gerne zur Verfügung, auch im Hinblick auf eine differenziertere Auseinandersetzung mit Begrifflichkeiten und Phänomenen sowie die Berücksichtigung kultureller Praktiken des Medienhandelns. Zentrales Ziel aller diesbezüglichen Bestrebungen muss die nachhaltige Absicherung unseres demokratischen Systems sein, wirtschaftliche Interessen dürfen keinesfalls dominant handlungsleitend wirken.
Vorrangig geht es um die zeitnahe und dennoch fundierte Umsetzung bereits angekündigter Maßnahmen wie des Digitalpakts Schule. Hier müssen technische Entwicklungen mit der Entwicklung didaktischer Konzepte einhergehen und es sind lebensweltnahe Methoden der Reflexion und der kreativen Gestaltung in Curricula zu integrieren. Des Weiteren bedarf es kontinuierlich evaluierter Modelle zeitgemäßer Bildung im schulischen und außerschulischen Bereich. Diese müssen mit strukturellen Maßnahmen, die Medien nachhaltig in Bildungsprozessen verankern, einhergehen. Der Jugendmedienschutz ist seit vielen Jahren in der Diskussion. Auf Basis vielfältig fundierter Erkenntnisse sowie unter Berücksichtigung der Bedürfnisse von Kindern, Jugendlichen, Erziehenden und pädagogischen Fachkräften ist der gesetzlich-ordnende ebenso wie der präventive Jugendmedienschutz zu aktualisieren. Dies alles erfordert vor allem angemessen qualifizierte Fachkräfte. In die Aus- und Weiterbildung sind medienpädagogische Module verbindlich zu integrieren. Auf die hier kurz angedeuteten Aspekte wird im Folgenden ausführlicher eingegangen.
Vor dem Hintergrund einer grundlegenden Zustimmung zu den Intentionen des Koalitionsvertrags möchte die Initiative Keine Bildung ohne Medien! folgende Aspekte hervorheben:
Pädagogisch sinnstiftende Gestaltung des Digitalpakts Schule
Das Schulsystem erreicht nahezu alle Heranwachsenden, somit kommt ihm bei der Vermittlung von Medienkompetenz eine zentrale Rolle zu. Wenn die Regierung hier im Rahmen ihrer grundgesetzlichen Möglichkeiten die Auseinandersetzung mit digitalen Medien in der Schule fördert, ist dies ebenso wichtig wie richtig. Es bedarf fraglos der technischen Infrastruktur und Ausstattung, diese muss nachhaltig gesichert sein. Ebenso bedarf es aber der didaktischen und pädagogischen Konzepte sowie einer Reflexion schulischer Medienkulturen. Nur wenn der Medieneinsatz als pädagogisch sinnstiftend empfunden wird, werden die Lehrpersonen, Schülerinnen und Schüler sowie Eltern mitziehen. Die Verantwortung für den pädagogisch-didaktischen Einsatzes ist entsprechend der Länderhoheit in den Bundesländern angesiedelt, diese müssen in die Pflicht genommen werden, hier aktiv zu werden. Eine adäquate Aus- und Weiterbildung der Lehrpersonen ist dabei unabdingbar. Grundlegende Gedanken zu diesem Themenkomplex sind unter anderem in dem Beitrag “Technikausstattung alleine reicht nicht” festgehalten.
Digitale Bildung oder die Förderung von Projekten zur Stärkung von Medienkompetenz
Die Rede von einer ‚digitalen Bildung‘ läuft Gefahr, einer sprachlichen Technisierung nochmals Vorschub zu leisten. Trotzdem begrüßen wir nachhaltig die Zielsetzung, Kompetenzen für den Umgang mit und die Reflexion von digitalen Technologien zu fördern. In den letzten Jahren wurden bereits zahlreiche Modelle der medienpraktischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen entwickelt, die die individuelle Entwicklung von Medienkompetenz im Hinblick auf digitale Technologien und aktuelle Medienkulturen stärken. Diese Konzepte sind kontinuierlich weiterzuentwickeln, zu evaluieren und insbesondere zu verstetigen. Sie müssen Eingang in alle Einrichtungen von der Elementarpädagogik bis hin zur Jugend-, Familien- und Elternbildung finden, aber auch als Querschnittsaufgabe in den schulischen und außerschulischen Alltag integriert werden (vgl. hierzu auch Bericht der EU-Arbeitsgruppe zu „Digitalisierung und Jugend(arbeit)“). Für eine nachhaltige Verankerung ist es notwendig, formelle und informelle Lernformen zu verbinden und die Medienerfahrungen von Kindern und Jugendlichen in ihren Szenen und Gleichaltrigengruppen einzubeziehen.
Medienpädagogische Auszeichnungen
Um die Arbeit in den vielfältigen außerschulischen Projekten und Initiativen sichtbar zu machen, begrüßen wir das Vorhaben, Preise zu vergeben. Die Initiative Keine Bildung ohne Medien! schlägt vor, die vorhandenen medienpädagogischen Projekte stärker zu unterstützen und so die Vielfalt an (digitalen) Medienprojekten in den unterschiedlichsten Handlungsfeldern (von der Kinder- und Jugendarbeit bis hin zur Erwachsenen- und Weiterbildung) in der Öffentlichkeit bekannt zu machen. Dabei ist es besonders wichtig, dass auch die Arbeit der außerschulischen medienpädagogischen Akteure anerkannt und inhaltlich bekannter wird. Deshalb ist es wichtig, den Dieter Baacke Preis der Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur (GMK) aufzuwerten. Dies ermöglicht es, die Akteure und die Projekte der Medienbildung und -kulturarbeit bundesweit besser zu vernetzen und modellhafte Projekte in die Breite zu bringen.
Weiterentwicklung des Jugendmedienschutzes
Eine Weiterentwicklung des Jugendmedienschutzes im Hinblick sowohl auf die regulativ-ordnenden als auch die erzieherischen Instanzen ist dringend notwendig. Zu begrüßen ist, dass eine enge Verbindung von Medienkompetenz und Jugendmedienschutz angestrebt wird. Dies darf aber nicht bedeuten, dass die Verantwortung auf die Individuen ausgelagert wird. Vielmehr müssen Medienanbietern auch jenseits jugendschutzrelevanter Fragen weiterhin und verstärkt regulierende, klare Rahmenbedingungen gesetzt werden. Politik und Medienanbieter sind gefordert sowohl die Entwicklung von technischen Schutzmaßnahmen als auch die Entwicklung von qualitativ hochwertigen Inhalten, wie etwa im Bereich von Online-Medien und Apps, voranzutreiben.
Aus-, Fort- und Weiterbildung von pädagogischen Fachkräften
Die Vereinbarung des Koalitionsvertrags, umfangreich in die Aus-, Fort- und Weiterbildung zu investieren, ist unbedingt zeitnah umzusetzen. Ziel muss eine umfassende Bildung der Fachkräfte in allen Ausbildungs- und Berufsphasen sein. Die sinnvolle Nutzung und Enkulturation digitaler Medien erfordert professionelle medienpädagogische Unterstützung und medienwissenschaftliche Expertise. In schulischen, außerschulischen, sozialen, kulturellen und beruflichen Handlungsfeldern sind digitale Medien zwar angekommen, gleichwohl ist das Personal nicht entsprechend ausgebildet. Deshalb bedarf es neben entsprechender einschlägiger Studiengänge auch einer grundständigen und wissenschaftlich fundierten medienpädagogischen Qualifizierung für alle pädagogischen Fachkräfte sowie adäquater Weiterbildungsmöglichkeiten für Fachkräfte in ihrem Arbeitsfeld. Hingewiesen sei hier unter anderem auf das Positionspapier zur Grundbildung Medien für alle pädagogischen Fachkräfte, das Positionspapier der GMK und den Orientierungsrahmen für die Entwicklung von Curricula für medienpädagogische Studiengänge und Studienanteile der DGfE, Sektion Medienpädagogik.
Weiterführende Links:
- Bericht der EU-Arbeitsgruppe zu „Digitalisierung und Jugend(arbeit)“ [LINK]
- Positionspapier der Initiative Keine Bildung ohne Medien „Grundbildung Medien für alle pädagogischen Fachkräfte“ [LINK]
- Positionspapier der GMK „Digitalisierung erfordert professionelle medienpädagogische Unterstützung“ [LINK]
- Orientierungsrahmen für die Entwicklung von Curricula für medienpädagogische Studiengänge und Studienanteile der DGfE, Sektion Medienpädagogik [LINK]