Der Stellenwert von digitalen Medien für Bildungsprozesse wurde während der Coronapandemie-bedingten physischen Kontaktbeschränkungen in besonderem Maße offenkundig. Dies gilt für die frühkindliche Bildung über die verschiedenen Schulen und außerschulischen Bildungsorte bis zur Hochschulbildung gleichermaßen. Viele Bildungseinrichtungen und die dort tätigen Lehr- und pädagogischen Fachkräfte waren und sind aber kaum vorbereitet, adäquate Konzepte für den Einsatz digitaler Medien in Bildungsprozessen zu entwickeln. Zumal die Veränderung der medialen Grundlagen von Bildung weitreichender sind, als es auf den ersten Blick erscheint. Entsprechend gilt: Die Förderung von Medienkompetenz und medienpädagogischer Kompetenz sowie die Verfügbarkeit entsprechender Infrastruktur sind Voraussetzungen für gelingende Bildungsprozesse mit digitalen Medien.

Vor diesem Hintergrund sehen die Mitglieder der Lenkungsgruppe der Initiative in ihrem Positionspapier fünf Aspekte als zentral für die weitere Entwicklung an:

  • Keine Rückkehr zu Normal – Erfahrungen nutzen und weiterentwickeln: Das Aussetzen bzw. die Einschränkung aller Präsenzangebote und -veranstaltungen hat das Bildungssystem schlagartig in ein Experimentierfeld verwandelt. Was über lange Jahre kaum denkbar war, wurde auf einmal möglich: Lernen auf Distanz, Videokonferenzen und digitale Lernräume etc. als neuer Alltag haben nicht nur neue didaktische Szenarien hervorgebracht, sondern auch Möglichkeiten und Grenzen der digitalen Medien im pädagogischen Feld aufgezeigt. Nicht zuletzt wurde dabei sichtbar, dass sich jenseits des formalen Bildungssystems längst eine eigene Lern-, Medien- und Kommunikationskultur (z.B. Video-Tutorials, Chats) entwickelt hat – die aber nicht für alle gleichermaßen zugänglich ist. Politik, Praxis und Wissenschaft müssen die Impulse und Erfahrungen, die auch unabhängig von den letzten Monaten gemacht wurden, kontinuierlich evaluieren, analysieren und nutzen, um zeitgemäße Antworten auf die existenziellen Fragen des Bildungssystems (was ist Bildung, was soll gelernt werden, wie soll gelernt werden) zu finden und zu erproben.

 

  • Ausgrenzung verhindern – Beteiligung und Teilhabechancen mit Medien stärken und Räume dafür schaffen: Medien sind Räume für kulturelle und politische Teilhabe, deren Bedeutung angesichts der Kontaktbeschränkungen besonders sichtbar wurde. Allerdings wurde ebenso deutlich, dass nicht alle Kinder und Jugendlichen über die Ressourcen und Kompetenzen verfügen, sich diese Potentiale eigenständig zu erschließen und zu nutzen. Zukünftig ist nochmals verstärkt darauf zu achten, Angebote gerade für diese Personengruppen auszubauen und nachhaltig zu verankern, um soziale Ungleichheiten nicht noch zu verstärken. Außerschulische Bildungseinrichtungen (von Jugendzentren bis zu Bibliotheken) sind durch ihre lebensweltorientierten Ansätze dafür besonders prädestiniert in die Lage versetzt zu werden, entsprechende Räume bereitzustellen und zu betreuen. Bereits bestehende Strukturen mit entsprechender Profession und Erfahrung müssen gestärkt und langfristig abgesichert werden.

 

  • Keine digitalen Wüsten in der Bildungslandschaft – Unterstützungsstrukturen etablieren und ausbauen: Neben der Verankerung in Aus- und Fortbildung muss eine Stärkung von kommunalen Strukturen (z. B. Medienzentren) und freien Trägern (z. B. medienpädagogische Verbände und Vereine, aktive Jugendzentren etc.) erfolgen. Hier gilt es, die bereits vielfach vorhandenen Expertisen und Ressourcen (z. B. methodisch-didaktischen, technisch-organisatorischen und rechtlichen Support) fokussiert zu stärken und eine vernetzte Struktur zu schaffen, die ein Bindeglied zwischen Ausbildung und Praxis bildet, um den lokalen / kommunalen Anforderungen gerecht zu werden.

 

  • Neuausrichtung der Aus- und Fortbildung von Lehrenden und pädagogischen Fachkräften: Ausstattungsinitiativen wie aktuell in einigen Bundesländern sind richtig und notwendig, damit eine technische Basis für alle hergestellt ist. Um allerdings den Anforderungen von Lehr- und Lernprozessen (wie auch Freizeitangeboten) mit digitalen Medien nachhaltig gerecht zu werden, bedarf es auf Seiten der Lehrenden und pädagogischen Fachkräfte umfänglicher medienpädagogischer und mediendidaktischer Kompetenzen. Ebenso notwendig ist eine systematische Unterstützung der Pädago*innen bei der Reflexion der medialen Bedingungen der von ihnen gestalteten Bildungsangebote. Dies erfordert eine systematische Verankerung von Theorien der Medienbildung wie auch die Förderung von medienpädagogischen sowie mediendidaktischen (Handlungs-)Kompetenzen in jedweder Aus- und Weiterbildung von Lehrenden und pädagogischen Fachkräften (weiterführend: Papier Grundbildung Medien).

 

  • Verantwortungsübernahme auf allen Ebenen einfordern und stärken: Um die gegenwärtigen wie auch zukünftige Herausforderungen von Bildung, Betreuung und Lernen in einer durch digitale Medien geprägten Gesellschaft meistern zu können, müssen alle gesellschaftlichen Akteure in die Verantwortung genommen werden. Jede*r einzelne – Kinder und Lernende, Eltern und Großeltern, Pädagog*innen, Bildungsadministration und Politiker*innen – kann in seinem/ihrem Entscheidungs- und Wirkungsbereich einen Beitrag leisten. Diese Beiträge sollten eingefordert und deren Umsetzung durch konsequente finanzielle Unterstützung (bspw. zur technischen Ausstattung), die nachhaltige Förderung von Kooperationen sowie die systematische Festigung von Austausch- und Vernetzungsmöglichkeiten institutionell und zivilgesellschaftlich gestärkt werden.

 

Das gesamte KBoM_Positionspapier_Corona können Sie herunterladen.